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SCHWACHHAUSEN Magazin | Januar - Februar 2015

SCHWACHHAUSEN Magazin | Januar - Februar 2015 3 Pastorin Ruth Fenko Liebe Leserin und lieber Leser, „führen Sie jeden Tag Ihren Hund aus, auch wenn Sie keinen haben!“ An Sonnentagen steige ich also schon - leider ohne Hund - an der Metzer Straße oder am St.-Joseph-Stift aus der Bahn. Wenn ich es eilig habe, erst an der Park- oder Rembertistraße. Ich wähle zwischen vie- len verlockenden Wegen, wenn ich meinen Ar- beitsplatz in der Hollerallee ansteuere und genieße meine allmorgendlichen Gänge durch Schwachhausens stille Wohnquartiere. Liebevoll angelegte Vorgärten, abwechslungs- reiche Architektur, Erker, Türmchen, Fachwerk, sorgsam dekorierte Veranden, Türen mit geätz- ten Jugendstilfenstern, Buchsbaumkugeln auf den Stufen, ein flüchtiger Blick in eine private Küche im Souterrain, in ein Zimmer voller Bü- cher und Bilder im Hochparterre, ein Kinder- garten... immer neue Augenweiden. Mir werden diese Wege nie langweilig. In vielen Straßen liegen Stolpersteine: zwei oder drei, an der Ecke Park-/ Heerstraße sogar 25. Herz, Wertheim, Bamberger und viele mehr. In Schwachhausen sind es 105, mehr als in jedem anderen Teil Bremens. Viele Deutsche jüdischen Glaubens bauten hier einst ihr Haus, pflanzten Bäume, in deren Schatten ich spa- ziere, waren hier verwurzelt und heimisch. Ihre Kinder malten Himmel-und-Hölle-Karrees mit EDITORIAL Herzlich willkommen! Kreide auf den Gehweg, die Zukunft, den Him- mel noch vor sich. Jäh endeten ihre Lebens- wege in den Höllen von Treblinka, Auschwitz oder Minsk. Jetzt wohnen andere in diesen Häusern. Viele haben geduldig etwas herausgefunden über die, die früher in denselben Zimmern lebten, lieb- ten, schliefen oder bange wachten bis die Ge- stapo sie abholte. Häuser mit Geschichte - nicht vergessen, Kopf und Herz stolpern im Vorüber- gehen über die von Gunter Demnig verlegten Steine. So soll es sein. Manche Anwohner po- lieren die Steine vor ihrer Tür und würdigen an Gedenktagen die in die Flucht getriebenen, ver- schleppten, drangsalierten und ermordeten Opfer mit einer Rose. Opfer und Täter – Haus an Haus, Tür an Tür… Ich steuere ein Haus der einstigen Täter an: Das „forum Kirche“, in dem ich arbeite, hat 1902 eine Privatfamilie bauen lassen, aber 1934 zog die „SA-Gruppe-Nordsee“ ein. Ihr bisheriges Haus in der Delbrückstraße war zu klein, die NSDAP-Zentrale nebenan im jetzigen Standes- amt achtete damals schon auf Abstand zur SA. Von hier aus haben am Abend des 9. November 1938 zwei gehorsame junge Männer den Par- teibefehl, die Synagogen anzuzünden, per Te- lefon weitergeleitet – in alle Städte Nord- westdeutschlands. Vielleicht saßen die beiden genau in dem Zimmer, in dem ich jetzt diese Zeilen schreibe? Manchmal meine ich, in den Mauern hallt wider, was damals gesprochen wurde. Und so rückt uns, die wir hier arbeiten, die Geschichte der „Reichskristallnacht“ be- klemmend nah, und wir versuchen, sie wach- zuhalten. Unsere Seminare und Vorträge zu diesem und zu vielen anderen Themen finden Sie im Inter- net oder kommen Sie einfach herein und lassen Sie sich unsere Programme für 2015 geben. Ich lade Sie herzlich in unser offenes Haus ein, Ihre Pastorin Ruth Fenko Leiterin forum Kirche Bremische Evangelische Kirche SCHWACHHAUSEN Magazin | Januar - Februar 20153

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